Ausnahmegenehmigung für „Häugern Nord“
Landrat Roland Bernhard: „Das Interesse der Stadt mit Blick auf dringend benötigen Wohnraum wiegt hier höher“

Für die Ausweisung des neuen Baugebiets „Häugern-Nord“ plant die Stadt Weil der Stadt einen Streuobstbestand mit rd. 3,2 Hektar (142 Bäume) zu roden. Das Landratsamt Böblingen in Form der Unteren Naturschutzbehörde hat die nötige Ausnahmegenehmigung erteilt bzw. die sogenannte Genehmigung zur Umwandlung.
„Wir haben diese Genehmigung auch im Bewusstsein des hohen ökologischen Werts der Streuobstwiesen erteilt, weil die Stadt Weil der Stadt nachweisbar keine andere Möglichkeit hat, ihren Flächenbedarf zu decken“, erklärt Landrat Roland Bernhard. Für die Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum stehe keine gleich geeignete Fläche zur Verfügung, die nicht in einen Streuobstbestand eingreift oder der andere, höherrangige Gründe entgegenstehen.
Die Prüfung der Ausnahmegenehmigung habe man sich nicht leicht gemacht, betont auch Martin Wuttke, stellvertretender Landrat und Dezernent für Umwelt und Klima. „Die Untere Naturschutzbehörde hat über viele Monate intensiv geprüft und zahlreiche ausgleichende Maßnahmen mit der Stadt besprochen und angeordnet.“ Teils seien diese eingeleitet bzw. umgesetzt, wie beispielsweise die Pflanzung von insgesamt 284 Streuobstbäumen auf Weil der Städter Markung und die Anbringung von verschiedenen Nistmöglichkeiten für Vögel oder Fledermäuse. Ebenso wurde eine Maßnahme, die den entfallenden Lebensraum für Vogelarten wie den Neuntöter ersetzt, bereits umgesetzt.
Streuobstbestände stehen durch den § 33a des Landesnaturschutzgesetzes unter besonderem Schutz. Zur Umwandlung bedarf es einer Ausnahmeregelung; zudem muss ein solcher Eingriff ausgeglichen werden. Die Genehmigung zur Umwandlung erging am 10. Juli 2024; im Antragsverfahren wurden die Naturschutzverbände beteiligt. Diese hatten Widerspruch eingelegt, der eine aufschiebende Wirkung zur Folge hatte. Die Stadt Weil der Stadt hatte Antrag auf Sofortvollzug gestellt, der am 13. August angeordnet wurde. Weil, so Martin Wuttke, die Rodung sonst nicht mehr im laufenden Jahr 2024 hätte erfolgen können und die Stadt noch einmal ein ganzes Jahr verloren hätte. Angesichts des dringenden Wohnraumbedarfs überwiegt das Interesse der Stadt an einer schnellen Durchsetzung ihrer Rechte.
Daraufhin hatten die Naturschutzverbände einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs beim Verwaltungsgericht eingereicht. Nachdem das Verwaltungsgericht die Entscheidung des Landratsamtes vergangenen Freitag mit der Begründung, dass das Interesse der Stadt am schnellen Vollzug höher wiegt, bestätigte, hat die Stadt mit der Rodung der Bäume begonnen. Mittlerweile hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) als nächsthöhere Instanz auf Beschwerde der Naturschutzverbände die Rodung vorläufig gestoppt. Sofern der VGH im Entscheid den Stuttgarter Richtern folgt, kann die Stadt die Rodung abschließen.
Der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan „Häugern-Nord“ wurde schon 2017 gefasst. Es handelt sich um eine Fläche am Rand der Kernstadt Richtung Merklingen. Entstehen sollen insgesamt 370 neue Wohneinheiten; außerdem auch Sonderbauten wie Kindertagesstätte, Seniorenwohnen, Einkaufsmarkt und Hotel.